Da war er endlich! Mein Tag 2021!

Seit gut zwei Jahren habe ich mich nun intensiv auf den IRONMAN Hamburg vorbereitet- Mein erster IRONMAN! Es waren Höhen und Tiefen dabei! Nach der Absage 2020 ging die Motivation erst flöten; zwischendurch wollte ich alles canceln und fragte mich oft: Warum?! Warum das harte Training, warum die zeitlichen Einbußen bzw. diese Tage, die gefühlt 12 Stunden mehr haben könnten. An der Ziellinie in Hamburg am 28. August wusste ich dann warum! Für dieses wahnsinnige Gefühl das erste Mal im Leben einen vollen IRONMAN zu finishen! Es war unbeschreiblich… Rückblickend muss ich sagen: Ich habe jede einzelne Minute genossen, auch wenn das Wetter echt besser hätte sein können! Mein Tag startete morgens um fünf Uhr. Ich macht mir mein Frühstück im Hotelzimmer, welches ich Wochen zuvor gegessen hatte, um meinen Magen an alles zu gewöhnen. Mit meiner Schüssel und einer Flasche Wasser-Dextro-Gemisch lag ich dann neben meinem Markus in den Reeboots. Er war fast schon aufgeregter als ich. Mein Rad stand bereits in der Wechselzone und wartete auf den Einsatz. Um halb sechs ging es dann endlich los in den Start-Bereich- wir mussten laufen. Die Worte meiner Familie waren nur:

„Wenn du gleich über 200 km zurücklegen willst, kommt es auf die paar Meter nun auch nicht an!“

Ich fühlte mich gut, aber als ich die Wechselzone betrat, ging es los: Mein Herz raste und ich fing an zu frieren vor Aufregung. Immer wieder redete ich mir ein: Hier sind so viele Leute, die alle stundenlang auf diesen Tag hintrainiert haben; so viele Menschen, die nur gekommen sind um uns anzufeuern! Die Aufregung wandelte sich in Vorfreude! Ich nahm die nasse Plane vom Rad, packte die Riegel in meine Box am Getränkesystem, die Tuc-Kekse ins Rad…Noch schnell ein Foto einer Fotografin, die mein knalliges Outfit so gut fand, dann ab in den Neo… ich traf Hani, eine Athletin aus Paderborn, mit der ich mich am Tag vorher anfreundete. Es tat gut jemanden Vertrautes direkt neben einem zu haben. Und dann war es soweit: Der Moderator rief dazu auf in die Startboxen zu gehen: Ich nahm die goldene Mitte. Da saß ich nun: Die Alster vor mir, hunderte Athleten um mich herum. Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, bis unser Startblock dran kam. Kurz vorher zog ich erst meine Schlappen aus und feuchtete die Brille an. Zwei Frauen machten mich noch verrückt, indem sie sich Zielzeiten zuriefen, die für mich (bis dato) utopisch waren… Die Alster war super kalt und schmeckte etwas nach Diesel. Ich konnte nach circa einem Kilometer einen Wasserschatten hinter einem Mann finden, der exakt mein Tempo schwamm- und das auch noch sehr eng an den Bojen! Wie praktisch – wo mein Fokus im Training ja oft darauf lag die Spur im Freiwasser zu halten… An den Bojen wurde es immer eng und das „Gekloppe“ fand statt; aber ich beharrte auf meinen Platz und schwamm meinen Weg. Als wir dann unter der Brücke am Rathaus verschwanden, hörte ich viele Menschen schreien, das tat gut und gab mir auf den letzten Metern noch einmal einen Kick! Beim Ausstieg halfen etliche Helfer; leichter Schwindel setzte ein und ich musste erst einmal in die Horizontale finden. Dann sah ich bekannte Gesichter, die Fotos machten, schaute auf meine Uhr (1:24) und freute mich. Auf dem Weg zu meinem Rad-Beutel merkte ich, dass ich am Oberkörper (da, wo der Neo schon ausgezogen war,) zitterte und sah meine weißen Finger, die abgestorben schienen. Wie sollte das nun auf dem Rad gutgehen- ging mir durch den Kopf! Aber ich sagte mir immer wieder mein Motto: Think Pink! Irgendwie wird es schon klappen… Dann war ich – nach gefühlten 20 Minuten – endlich angezogen: Armlinge, Weste, Helm, Brille und meine Handschuhe. Später war ich froh diese Kombi gewählt zu haben und bekam einige neidische Blicke von einigen bereits erfrorenen Triathleten in ihren halbnackten Einteilern – Es war nämlich zeitweise nur acht (!) Grad warm… . Die erste Runde verlief nicht wie geplant: Mein zuvor angebrachtes Garmin rutschte auf dem Getränkehalter und ich musste es immer wieder in die richtige Position schieben. Eventuell lag dies aber auch an dem beschissenen Asphalt in Richtung Deich. Als ich nach zehn Minuten in mein Fach mit den Riegeln greifen wollte, war dieses nämlich restlos leer und ich war froh noch meine Kekse dabei gehabt zu haben. Auch meine Salztabletten lagen irgendwo verstreut auf dem Hamburger Asphalt. Diese Schlaglöcher waren zum Teil echt so heftig, dass man die Aero-Position nicht halten konnte. Aber es machte -trotz einsetzendem Regen- Riesen Spaß! Bei der zweiten Verpflegung füllte ich direkt mein Trinkkanister auf. Zuvor hatte ich mir alles eingeprägt – aber wo war die scheiß Literary-Zone?! Ich muss an ihr vorbei gefahren sein… Mit der Flasche in der Hand erzählte ich dies einem Wettkampfrichter, der mir dann die Flasche abnahm und mich -glaube ich- auslachte. War das nun schlimm?! Bekam ich wohl eine Zeitstrafe? – all das ging mir kurz durch den Kopf. Doch dann sagte ich mir: Egal. Think pink, es war mein erster IRONMAN! Weiter ging es… Als ich auf mein Tacho sah und einen Schnitt von fast 40 km/h sah, dachte ich, ich würde fliegen. Aber ich redete mir immer wieder ein: Gleich wird er kommen- der Wind! Vorher erzählten mir alle, dass die Hamburger Berge der Wind sei. Und dann war er da- nach dem Wendepunkt. Mein Freund, den ich vermisst hatte: Der Gegenwind. Trotzdem lief es richtig gut und ich konnte gegen den Wind antreten. Ich achtete dabei immer wieder auf meinen Puls, der meinen GA1 Puls nicht überschreiten sollte. Auf einmal war da aber meine Blase, die sich bemerkbar machte und ich musste einen Zwischenstopp bei einem Dixi-Klo einlegen. Diesen Stopp nutzte ich direkt um mein nerviges wackelndes Garmin in meine Westentasche zu stecken. Zum Glück konnte ich alle Radfahrer wieder einholen und ich fing an alles zu genießen: Ich genoss den Ausblick auf den Deich, auf dem ich nach jeder Kurve dachte, dass es nun wieder „in die Stadt“ gehen muss; die gequälten Gesichter der anderen, das Geräusch der Tausenden Kampfrichter-Motorräder, die an einem vorbei fuhren. Einige gaben mir einen Daumen hoch – das beflügelte mich etwas. Am Ende des Deiches saß eine Familie auf einer Terrasse, die mein Outfit feierten und mir in jeder Runde freudig zuriefen… Es war einfach der Wahnsinn! Trotz des Wetters waren so viele Menschen auf der Strecke, die uns anfeuerten. Bei einigen Kurven musste man ganz schön abbremsen- aber Sicherheit ging vor! Auf der letzten Runde wurde es ziemlich voll und ich war damit abgelenkt den nötigen Abstand einzuhalten und in der vorgegeben Zeit zu überholen. Ich konnte immer noch lächeln und es machte großen Spaß – so viel Spaß, dass ich zwischenzeitlich total vergaß, dass noch ein Marathon vor mir lag! Meine „Crew“ stand jede Runde am Rand und schrie mich an! Sie waren alle nur für mich nach Hamburg gekommen und nun standen sie da im strömenden Regen- Ich musste allen zeigen, dass ich es schaffe…! Und dann war es auch schon vorbei!

Ein bisschen traurig war ich, als ich vom Rad stieg. Meine Beine fühlten sich erstaunlich gut an- und nun kam es: Meine Hass-Disziplin:Laufen! Ich nahm mir die Zeit erneut Pipi zu machen und dann rannte ich los, während die Sonne sogar etwas raus kam! In der Wechselzone war eine Wahnsinns-Stimmung und die Leute riefen meinen Namen. Ich schaute auf meine Uhr: 4:30. viel zu schnell!!! Markus rief mir zu: „Halt dich an Monis Vorgaben!“ …und ich reduzierte das Tempo, auch wenn es sich wie „kriechen“ anfühlte! Viele flogen wortwörtlich an mir vorbei und ich redete mir ein: Lauf gleichmäßig – diese Überflieger wirst du später einholen, weil sie zu schnell angingen… Und genau so war es: Einige standen am Rand, mussten sich übergeben oder gingen. Hier kam meine Trainer-Seite hervor und ich klopfte ihnen auf den Rücken und sprach ihnen gut zu. Mir ging es blendend – und auch mein Magen konnte sich nicht beklagen. Ich testete auch eine Tonne der Dextro-Gels und Salzbrezeln zuvor… Das beste, was ich machen konnte, wenn ich mir einige Läufer so ansah… Ich lief gleichmäßig mein Tempo und war in einer Art Flow. Die Stimmung auf den vier Runden schien von Runde zu Runde zu steigen: Es gab Konfettikanonen, motivierende Zurufe und Schilder. Auch nach meiner Lieblingsmusik wurde ich zwischendurch gefragt und es wurde in der folgenden Runde gespielt. Nichts geht über Schlager! Es war echt beflügelnd, als ich Helene aus der Musikbox hörte. Am Gänsemarkt holte ich mir immer brav mein Bändchen ab, trank fleißig Wasser, stopfte Salzbrezeln in mich hinein und hörte meine innere Stimme: „Niemals gehen! Du machst es für deine krebskranke Mama und deinen verstorbenen Vater! Sie beide wären sicher sehr stolz auf dich, Nele!“ In der letzten Runde war mein Gehirn gefordert: Hatte ich das falsche Bändchen genommen? Ich sah an den anderen Handgelenken eine andere Farb-Kombi… ich fing an zu rechnen… Aber dann war da Olli, der im Park neben mir mitlief und mich anschrie:

„Letzte Runde!! Lauf du Rakete!!“

– die letzte Runde war echt hart und jeder Meter fühlte sich an wie ein Kilometer: So langsam spürte ich meine Oberschenkel. Die Traubenzucker von Dextro und das letzte von meinen vier Gels auf der Laufstrecke zwang ich in mich hinein und stopfte noch einmal Tuk-Kekse in mich hinein. Bei dem Bändchen-Stand 200 m vor dem Ziel rief mir eine Dame dann zu: „Komm Nele, noch eine Runde!“ und ich dachte mir so: Leck mich am Arsch! Nur noch 200m!! Ich war wie in einem Trance-Zustand und nahm den Zieleinlauf mit dem pinken Konfetti gar nicht wirklich wahr. Oli schrie mir noch zu: „Achte bei dem Zielfoto darauf, dass du alleine einläufst!“ – und so war es: Niemand direkt vor mir und niemand direkt hinter mir! Ich lächelte und zog die Arme hoch!!! Selbst den Spruch, auf den ich Jahre gewartet hatte: „You are an IRONMAN!“ – bekam ich nicht mit, weil ich immer noch lächelte und alles von mir abfiel!! Ich verspürte Stolz und Schmerz zugleich, verdrückte einige Tränen, als ich meine Liebsten im Ziel in den Arm nahm. Und dann war da die letzte Challenge: Laufe gefühlt 2 km zu deiner Medaille und ziehe dich dann um. Ich konnte noch die Beine heben! Ich war erstaunt: Ich fühlte mich lange nicht so kaputt wie nach einem 24h Fahrrad-Rennen!! …immer war da dieses Gefühl: Nun bist du eine Iron-Women! Und du hast es geschafft- auch ohne vorher jemals eine Mitteldistanz gemacht zu haben! Als ich dann meine Zeit bei der Medaillen-Gravur erfuhr, war ich überglücklich!! Schon beim Abendessen ging mir durch den Kopf, dieses „kranke Abenteuer“ nicht das einzige und letzte mal erlebt zu haben!! Die Pläne gehen weiter und die Träume hören niemals auf! Danke an alle, die mich auf dem Weg zu meiner ersten Langdistanz begleitet haben! Ohne euch wäre das niemals möglich gewesen! Hiermit möchte ich alle Triathleten da draußen daran erinnern, dass ihr alles schaffen könnt, wenn ihr euer Ziel verfolgt! Euer Kopf bringt euch ans Ziel!! Glaubt an euch und hört nicht auf eure Träume wahr werden zu lassen! Sie sind dafür da, in Erfüllung zu gehen! Geht Euren Weg- das kann euch hinterher keiner nehmen! …auch wenn euch einige nach dem ersten IRONMAN als völlig verrückt abstempeln- Egal!

Es ist dein Leben und nur DU streust dir das (pinke) Konfetti in dein Leben!! 🙂