Wer Gunnar Klös (46) beim 30km Volkslauf im mittelhessischen Garbenteich laufen sieht erahnt nicht annährend, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Bei einer Operation wurde bei ihm eine Arterie verletzt was zu einem Blutverlust von rund 30 % und einen Schlaganfall im Kleinhirn führte. Er hatte den Tod vor Augen und benötigte anschließend einen Rollator, um sich fortzubewegen. Aber der Reihe nach.

Gunnar spielte in seiner Jugend Tischtennis und Tennis, begann erst im Alter von 26 Jahren mit Ausdauersport. 2006 lief er mit einem Freund den New York Marathon unter 3 Stunden und damals konnte man sich auch noch darüber freuen sogar schneller als Lance Armstrong gelaufen zu sein. Bei einem weiteren Start gelang es ihm nach 2:48h einen Marathon zu beenden. Bestzeit bis heute. Der Traum von der Ironman-WM auf Hawaii entstand und er entdeckte den Triathlon, die Faszination Langdistanz für sich. Dabei war wie bei vielen Einsteigern das Schwimmen erst mal die größte Hürde. Um überhaupt die 3,8 Schwimmkilometer die bei einem Ironman gefordert werden zu schaffen, absolvierte er 2006 einen Kraul-Schwimmkurs bei der DLRG. Danach nahm er teilweise Einzeltraining. Drei Jahre nach seinem ersten Triathlon Start finishte er mit Mitte 30 den Ironman in Frankfurt in 10:19 Stunden und ist überglücklich. Dann 2011 passierte es, plötzlich fällt ein Lungenflügel einfach so zusammen. Diagnose Spontan-Pneumothorax zu der aber bis heute kein Arzt eine Ursache formulieren kann. Die Lunge haftet normalerweise durch einen dünnen Flüssigkeitsfilm am Rippenfell. Tritt Luft in den Spaltraum zwischen Rippenfell und Lunge, fällt die Lunge zusammen (Lungenkollaps oder Pneumothorax).

Wie fühlt sich das wohl an, wenn ein Lungenflügel zusammenfällt? Das ist normalerweise lebensbedrohlich und man muss direkt ins Krankenhaus. Gunnar hatte nur Rückenschmerzen, als wenn ein Wirbel blockiert. Selbst leichtes Training ging immer noch. Er musste in der Folge lernen sich damit abfinden, Minimum einmal im Jahr kollabierte die Lunge und Operationen folgten. Sportlich ging es trotzdem weiter und das nicht auf Sparflamme. Er blieb weiterhin auf der Langdistanz unterwegs, wie hat er das wohl psychisch im Wettkampf gemeistert, hatte er keine Angst, dass die Lunge im Wettkampf wieder versagt? Eine Frage die nahe liegt. Nein, er hatte keine Angst, Gunnar war sich sicher, dass die Lunge hält. Die Probleme entstanden nur bei Intensitäten im Radfahren. Laufen und Schwimmen war kein Problem. Im Jahr 2013 verbessert er seine Langdistanz-Performance bei der Challenge Roth auf 9:42 Stunden, Hawaii bleibt ihm aber verwehrt, es folgt im Jahr 2015 die furchtbare Operation die ursprünglich sein Leben verbessern sollte.

Bei der Operation sollte und wurde eine Pleurodese durchgeführt, ein operativer Eingriff bei dem das Lungenfell mit dem Brustfell verbunden wird. Ziel war einem erneuten Auftreten eines Pneumothorax zuvorzukommen. Hierbei wurde eine Arterie verletzt, die zu einem Blutverlust von rund 30 % führte. Die Situation war lebensbedrohlich und die Ärzte waren der Meinung, dass seine sportliche Fitness seine Lebensversicherung war.

Durch die anschließende Blutzugabe hat sich dann ein Thrombus, ein Blutgerinnsel gebildet der ins Kleinhirn wanderte. Dies wurde aber erst nach dem Wachwerden aus der OP festgestellt. Er überlebte gerade so, verbrachte eine Woche auf der Intensivstation und anschließend sechs Wochen in der Reha. Seine linke Körperseite war teilweise gelähmt, Fortbewegung war nur mit Unterstützung eines Rollators möglich. In der Reha ging es um elementare Dinge, leichte, unkomplizierte Bewegungen wie Bälle zu einem Partner rollen, Wassergymnastik, auf einem Strich gehen. Zum Ende hin war Nordic Walking möglich, wobei die Koordination zwischen Arm und Fuß weiterhin schwierig blieb. Erst nach 6 Monaten war er wieder in der Lage kurz zu joggen und kurz bedeutet hier nicht 5km sondern wenige Minuten. Von den Ärzten hatte er grünes Licht bekommen, keine Einschränkungen beim Training. Heute hat er sich aber bewusst vom Leistungssport verabschiedet. Zeiten und Pokale zählen nichts mehr für ihn. Seinen ersten Triathlon nach dem Kleinhirninfarkt musste er beim Schwimmen wegen einer Panikattacke vorzeitig beenden.

Nach all diesen furchtbaren Erfahrungen stellt sich dem Betrachter natürlich die Frage wie seine Familie damit umging, dass er nach der Operation wieder an Wettkämpfen teilnahm und sich natürlich auch darauf vorbereitete. Natürlich schüttelten viele den Kopf als er wieder den Wunsch hatte Marathon zu laufen. Selbst die Ärzte, gerade die die vom Sport nichts verstehen, rieten ihm dazu doch lieber 10 km anstatt 42,2km als Ziel zu formulieren. Gunnar Klös entschied sich aber anders, weil er 10km Rennen als viel intensiver und anstrengender empfindet als einen Marathonlauf. Von seiner Frau Jasmin erhielt er aber 100% Unterstützung, nicht zuletzt, weil sie wusste wie wichtig ihm das Vorhaben ist. Bemerkenswert an dieser Stelle, er hatte nie, selbst auf der Intensivstation, daran gezweifelt, dass er wieder laufen kann. Im Jahr 2017 bei seinem ersten Marathon nach der Operation war die Aufregung und Anspannung in seinem Umfeld schon sehr groß. Nicht das erste Mal, wenn man an seine Starts bei u.a. Ironman Wettbewerben denkt, aber sicherlich aus völlig anderen Beweggründen als damals.

Er selbst ist sich heute bewusst, dass Laufen nicht mehr selbstverständlich, dass nichts mehr so normal wie früher ist.

Kann man, wenn überhaupt, auch etwas Positives aus der Sache ziehen? Man kann! Gunnar Klös verzweifelt nicht an dem Geschehenen, er ist froh im hier und jetzt und hat gelernt, die wichtigen Dinge im Leben zu erkennen. Etwas das gerade Triathleten oftmals schwer fällt. Durch das Ereignis hat sich sein Freundes-/Bekanntenkreis verändert. Neue Menschen sind in sein Leben getreten, Menschen die ihm in dieser Situation überraschend zur Seite standen. Leider sind auch Freunde als solche weggefallen, von denen er enttäuscht war, da keinerlei Unterstützung erfolgte. Jetzt steht die Familie, seine Frau und sein 4,5 Jahre alter Sohn im Fokus. Sport ist Stressabbau und Möglichkeit den Kopf frei zu bekommen. Damals war sein Sohn 6 Monate alt, Jasmin und Gunnar hatten ein Haus gebaut und es war nicht klar, wie es weiter geht. Seine Frau hatte schon Existenzängste und befürchtete, wenn überhaupt, ihren Mann als Pflegefall zurück zu bekommen.

Heute sagt Gunnar, dass seine Frau und sein Sohn ihm die meiste Kraft gaben. Er wurde gebraucht… DNF war keine Option.

Wie sieht es aber mit zukünftigen sportlichen Zielen aus, ist der Traum vom IRONMAN weiterhin realisierbar? Eher nicht, ganz realistisch betrachtet Gunnar dieses Szenario. Die allgemeine Ausdauer, schwimmen und laufen wären kein Hindernis. Das Radfahren aber birgt ein zu großes Risiko da er immer noch Probleme bei der Koordination und dem Halten des Gleichgewichts hat. Die mentale Anstrengung bei über 5 Stunden Dauer für die 180km der Radstrecke, die notwendige Konzentration um das Sturzrisiko zu minimieren sind zu fordernd und eine zu hohe Hürde. Daher bleibt es wie 2019 dabei zukünftig Sprint-Triathlons wie Heilbronn anzupeilen. Aber klar, für Gunnar nicht herausfordernd genug und damit rückt die Major Marathon Serie und ein Start beim Boston Marathon in den Fokus für den er sich 2017 dann beim Frankfurt Marathon qualifizierte und im April 2019 finishte. Boston, es war ein sehr tolles Erlebnis für Gunnar. In den nächsten Jahren sollen noch die Marathons in London, Chicago und Tokio dazu kommen, zusätzlich einige Trailrunning Events. Es geht dabei nicht mehr um die Zeit. Gunnar will einfach das Laufen genießen und schöne Momente erleben, grundsätzlich schon verständlich aber noch viel mehr nach der Vorgeschichte.

„Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ schrieb der vor 150 Jahren gestorbene Philosoph Arthur Schopenhauer. „Mit ihr wird alles eine Quelle des Genusses.“

Was können wir die wir das, sicherlich tief beeindruckt, lesen von Gunnar Klös lernen? Dass es immer Sinn macht Hoffnung zu haben, sich nicht von Schicksalen der Vergangenheit die Gegenwart zerstören zu lassen und mit neuen Zielen in die Zukunft zu schauen.