1996 war an der Zeit, nicht mehr von mir selbst zu erwarten, dass ich auf jede Aufgabe und jede sich stellende Frage eine Antwort finden konnte, sondern mich beraten zu lassen.
Ich kam schnell mit Kuno Hottenrott, dem ehemaligen Bundesnachwuchstrainer, in Kontakt, wechselte den Verein und ging zu TRIAS Kassel, wo er selbst Vereinstrainer war. Fortan erhielt ich exzellente Trainingspläne und bin Kuno Hottenrott noch heute für seine sehr gute Arbeit dankbar. Er war gleichzeitig Bundestrainer der ungarischen Nationalmannschaft und nahm mich in ein dreiwöchiges Trainingslager nach Cannes, an der Cote d’Azur, mit. Neben den ungarischen Kaderathleten waren noch einige deutsche Sportler, die von ihm betreut wurden, dabei. Dieses Trainingslager prägte mich nachhaltig. Ich lernte erstklassige internationale Athleten kennen und sah, dass ich beim Lauftraining auf einer Höhe mit ihnen war. Beim Intervalltraining konnte ich mit ihnen nicht nur Schritt halten, sondern war, bis auf Attila Fazekas, den besten ungarischen Läufer, sogar schneller als alle anderen. Selbst der im Weltcup startende Peter Hobor war mir zumindest im Laufen unterlegen. Ich erinnere mich noch gut an eine Einheit auf der Laufbahn, bei der wir fünfmal 300 Meter in 45 bis 48 Sekunden laufen mussten, 100 Meter Gehpause dazwischen hatten, dann 5.000 Meter im 10-Kilometer-Renntempo anstanden. Anschließend erneut die fünfmal 300 Meter im gleichen Tempo, noch einmal 5.000 Meter und wieder fünfmal 300 Meter zu laufen waren. Eine Hammereinheit! Ich hatte damals zwar gewichtsmäßig schon zugelegt, war mit 63 Kilogramm Körpergewicht aber immer noch sehr leicht. Aber dafür im optimalen Gewichtsbereich fürs Laufen und durch die Trainingsgruppe so angestachelt, dass ich in diesem Training meine Bestzeit über die 5.000 Meter verbesserte. Ich versuchte in späteren Jahren des Öfteren diese Einheit zu wiederholen. Alleine – ohne Trainingspartner. Ich konnte aber, obwohl ich besser trainiert war, nie wieder diese Zeiten der besagten Trainingseinheit laufen. Gleichzeitig musste ich aber beim Schwimmtraining und Radfahren erkennen, dass ich immer noch einen enormen Rückstand hatte. Hottenrott erkannte diese Schwäche und ging dieses Problem mit ruhigem Fettstoffwechseltraining an.

Ich drehte in diesen Einheiten zwar fast durch, da ich in der Gruppe mit den Frauen und den langsamsten Männern trainieren musste, aber ich vertraute ihm, weil ich seinen Argumenten folgen konnte.

Das stressfreie, langsame Trainingstempo lies mich wenigstens eine der schönsten Gegenden fürs Radfahren erkennen und genießen. Eine der spektakulärsten Schluchten Europas entdeckte ich auf unserer Radrunde in der Provence im Departement Alpes-de-Haute-Provence. Der bis zu 700 Meter tiefe „Gorges du Verdon“ ist auch bekannt als zweitgrößter Canyon der Welt. Die Schlucht beginnt nahe der Stadt Castellane und endet nach 21 Kilometern grandioser Landschaft am Lac de Sainte-Croix. Niemals habe ich türkisfarbeneres Wasser als bei diesem See gesehen. Nach diesen drei Wochen stand in der Nähe von Kassel mit dem Söhre-Duathlon ein erster Wettkampftest an bei dem ich meinen ersten Sieg in einem Duathlonwettkampf erzielen konnte. Ich war sehr glücklich über den Sieg und wusste, dass ich nun auf dem richtigen Weg war. Ich vertraute Kuno Hottenrott zu diesem Zeitpunkt blind und sprach fast jede Einheit mit ihm ab. Er erkannte mein Potenzial und förderte es, wo er konnte. Da er Dozent an der nur 30 Kilometer von meinem damaligen Wohnort entfernten Universität Marburg war, hatte ich auch regelmäßigen persönlichen Kontakt zu ihm.