Training im Anfangsstadium und erste Langdistanzerfahrungen.

Meine Bundeswehrzeit ging ihrem Ende entgegen. Durch meine sportlichen Erfolge hatte ich etliche Sonderurlaubstage eingeheimst und auch den kompletten Jahresurlaub eingespart, sodass ich meine Dienstzeit anderthalb Monate vor ihrem eigentlichen Auslaufen beenden konnte. Außerdem verfügte ich über eine ansehnliche Abfindungszahlung, mit der ich einige Monate überbrücken konnte. Bis zu meinem geplanten Studienanfang waren es noch über 14 Wochen Zeit, sodass ich insgesamt über volle fünf Monate ohne Bundeswehr und Studienbelastung verfügte, in denen ich mir um mein Einkommen keine Sorgen machen musste und die ich voll meinem Triathlontraining widmen konnte. Ich erkannte und merkte mittlerweile selbst, was mir beim Laufen gut tat, was beim Krafttraining fruchtete und was ich tun musste, um meine Schwächen im Schwimmen und Radfahren zu verbessern. Also nutzte ich die viele Zeit intensiv und trainierte sechsmal pro Woche, jeweils vier bis sieben Stunden am Tag. In dieser Zeit machte ich durch meine enormen Trainingsumfänge im Laufen weitere deutliche Fortschritte und verbesserte mich auch im Radfahren und Schwimmen. Meine Wettkampfergebnisse im Triathlon wurden immer besser. Zwar blieb das Schwimmen meine Schwäche, aber ich konnte mich doch in den beiden anderen Disziplinen immer weiter nach vorne arbeiten. In dieser Zeit interessierte mich kaum etwas anderes als der Triathlon. Ich trainierte, konzentrierte mich auf meine Ernährung, verzichtete erstmals komplett auf Alkohol und dachte zu diesem Zeitpunkt noch, dass eine vegetarische Ernährung meinen sportlichen Zielen besonders dienlich sei.

Gegen Ende dieser Übergangsphase, zwischen Wehrdienst und Studium, fühlte ich mich stark und mutig genug, um an meinem ersten Ironman-Wettkampf teilzunehmen. Ich hatte immerhin schon fünf Triathlon oder Duathlon-Wettkämpfe hinter mir. Darunter auch eine sogenannte Mitteldistanz über zwei Kilometer Schwimmen, 80 Kilometer Radfahren und 20 Kilometer Laufen. Außerdem hatte ich schließlich fast über ein halbes Jahr hinweg kontinuierlich zwischen 25 und 35 Stunden pro Woche trainiert. Bevor ich mich anmeldete, versuchte ich im Hundsangener Freibad, wo der Bademeister immer bereitwillig meine Bahnen zählte und sich stets freute, wenn ich kam, 3.800 Meter am Stück zu schwimmen. Dies sollte meine Generalprobe sein. Es gelang mir und fiel mir zum Glück auch nicht allzu schwer. So meldete ich mich umgehend in Kulmbach bei einem Wettkampf über die Ironman-Distanz von 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen an.

Von diesem Tag an beschäftigte ich mich gedanklich noch mehr mit meinem Sport. Ich ging zwar weiterhin am Wochenende weg, ohne jedoch dabei das Training zu vernachlässigen. Oft kam ich samstags nachts erst gegen vier oder halb fünf von Party- oder Discobesuchen nach Hause, stand dann um sieben Uhr wieder auf und fuhr mit der Darmstädter und Elzer Trainingsgruppe die große Rheinrunde von mehr als 200 Kilometern auf dem Rad. Meine Trainingsumfänge und Inhalte verheimlichte ich vor anderen. Ich erzählte zwar von der geplanten Teilnahme am Ironman, aber verriet niemandem, wie viel ich wirklich trainierte und dafür investierte. Ich wollte nicht, dass sich bei einem „did not finish“, einem Scheitern meines ersten Ironmans, jemand lustig über mich machte, dass ich so viel trainiert hätte und trotzdem nicht ins Ziel gekommen sei. Zusätzlich wollte ich nicht, dass sich jemand an meinem Trainingsfleiß ein Beispiel nahm, dieses nachahmte und dann genauso große und schnelle Fortschritte machte wie ich.

Der Tag des ersten Ironmans kam näher und ich war hervorragend vorbereitet. Ich hatte alles getan, was ich, bezogen auf meinen damaligen Wissensstand, trainingsmethodisch hätte machen können. Ich hatte wochenlang auf Süßigkeiten, Burger und Fleisch verzichtet und schon seit Monaten keinen Alkohol mehr getrunken. Mein Körperfettanteil war auf 6 Prozent gesunken und meine Muskulatur gewachsen. Ich fühlte mich wirklich fit und bereit. Erstmals spürte ich in den Tagen vor dem Wettkampf eine unglaubliche Nervosität und schlief nachts nur sehr schlecht – was aber völlig normal ist. Ein Phänomen, das selbst abgebrühte Profisportler vor Ironman-Starts erleben.

Das Schwimmen lief gut, ich kam unter 1:10 Stunden aus dem Wasser und konnte mein selbst gestecktes Zeitziel damit erreichen. Die Radstrecke entpuppte sich dafür als bergig und wesentlich härter als gedacht, und ich musste auf den letzten 30 Kilometern wieder einmal Bekanntschaft mit einem Hungerast machen. Trotzdem kam ich gut ins Laufen und brachte meinen ersten Ironman in 10:12 Stunden, in einer für mich absolut befriedigenden Zeit ins Ziel. Ich war stolz auf mich. Auf das, was ich mir selbst erarbeitet hatte. Und auf meinen Mut, nach so kurzer Zeit eine solche Herausforderung überhaupt angenommen und letztendlich auch bewältigt zu haben.

Bereits wenige Tage später begann ich mit meinem Studium an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. beginnen.

Durch weitere Wettkampferfahrungen bemerkte ich sehr schnell, dass gutes Equipment die Leistungen sehr beeinflussen konnte und so besorgte ich mir ein neues Rad. Ein echtes Triathlon-Zeitfahrrad. Gewichtsoptimiert und mit einer günstigeren Aerodynamik in schicker auberginer Farbgebung, auf das ich sehr stolz war. Ich stellte auch gleich fest, dass die aerodynamischen Laufräder und der Triathlonlenker, auf dem man bequem in aerodynamisch optimierter Position fährt und somit weniger Luftwiderstand hat, das Radfahren deutlich erleichterten. Mein neues Rad passte wie angegossen und das Radtraining machte mir ab sofort wesentlich mehr Spaß.

Das Studium und meine Trainingseinheiten passten wundervoll zusammen. Morgens ging ich zur Uni, aber meine Nachmittage waren für das Training reserviert. Die im Rahmen des Sportstudiums zu leistenden Sportkurse, wie zum Beispiel Leichtathletik, waren sicherlich auch gut für meine allgemeine Fitness. Gleichzeitig kam ich mit immer mehr Triathleten in Berührung. Die Gießener Triathlonszene war rege, nicht besonders leistungsorientiert, aber doch breit und gut aufgestellt. Und es gab einige Kommilitonen, die auch an Triathlonwettkämpfen teilnahmen. Ich schloss mich dem örtlichen Verein an, der ein gutes Schwimmtraining anbot, in dem ich mich weiter verbessern konnte. Glücklicherweise warf mich dort auch niemand von der Bahn, weil meine Schwimmzeiten noch nicht exzellent genug waren!

Ich studierte zwar, ging in die Vorlesungen und Seminare. Erreichte auch gute Noten in Referaten oder Klausuren, tat im Grunde aber nur das Notwendigste. Einzig die Referate in den Trainingswissenschaften oder der Biomechanik, also alles, was mit Trainingslehre zu tun hatte und mich interessierte, vertiefte ich weiter. In den Sportpraxiskursen tat ich ebenfalls nur, was unbedingt erforderlich war, um die jeweiligen Scheine zu erhalten. Ich war durch mein anderes Training meist zu müde, um die verbleibenden freien Stunden dafür zu verwenden, mich in den Sportkursen der Universität zu verbessern. Zu Beginn des Studiums fuhr ich immer noch an den Wochenenden nach Hause und pflegte meine Kontakte zu den Freunden. Allmählich stellte ich jedoch auch diese wochenendlichen Heimfahrten ein, da ich mehr Zeit für das Training aufbringen und mir das lästige Verpacken meiner Sportgeräte und die Fahrtzeiten mit dem Auto sparen wollte.

Meine sozialen Kontakte bestanden schließlich ausschließlich zu anderen Triathleten, die ich im Schwimmtraining sah und mit denen ich einige Radeinheiten absolvierte. Das Lauftraining machte ich stets alleine, denn das gestaltete ich besonders effektiv und ich wollte niemanden in meine Trainingsgeheimnisse einweihen. Wie früher, erzählte ich nur eingeschränkt von meinen Trainingsinhalten und Umfängen. Niemand sollte wissen, wie professionell ich an die Triathlonwettkämpfe heranging. Wenn mich jemand nach meinem Training fragte, untertrieb ich immer, gab nur 60 bis 70 Prozent meiner wirklichen Einheiten zu und behielt die restlichen 30 bis 40 Prozent für mich.

In den Semesterferien nutzte ich die freie Zeit, um noch mehr zu trainieren. Mein Trainingsumfang lag dann wieder bei 30 bis 40 Wochenstunden. Mittlerweile hatte ich einiges an Muskulatur zugelegt, sodass mein Körper athletisch war, ich stolz darauf war und die Muskulatur auch zu einer Leistungsverbesserung führte. Da ich mittlerweile auch Geld verdienen musste, um mir die teuren Wettkampfübernachtungen und das aufwendige Equipment leisten zu können, nahm ich einige Gelegenheitsjobs an. Alle waren vom Umfang her so bemessen, dass ich weiterhin vernünftig trainieren konnte. Ich studierte und arbeitete, hatte aber trotzdem meinen Fokus ganz auf den Triathlonsport gelegt.

Mit meinen Wettkampfzeiten war ich aber damals nicht vollends zufrieden. Ich erzielte zwar regelmäßig eine der schnellsten Laufzeiten, meine Rad- und Schwimmleistungen verbesserten sich zwar, waren aber noch zu weit von den Spitzenzeiten entfernt. Mir wurde schnell klar, dass ich meine Trainingszeit nicht optimal nutzte. All das, was in der Literatur zu bekommen war, war meines Erachtens nicht auf dem aktuellsten Stand der Forschung – und vor allem nicht individuell genug für mich und meine Historie. Durch das Sportstudium erkannte ich, dass die Trainingswissenschaft des Triathlons alles andere als ausgereift war. Aber wie auch? Schließlich war es eine noch sehr junge Sportart. Ich erkannte durch meine Analysen, dass ich dazu neigte, meine Stärken im Training zu betonen, meine Schwächen dagegen eher stiefmütterlich behandelte. Das war die Konsequenz daraus, dass ich mein Training selbst organisierte und musste schnellstmöglich anders werden. Also suchte ich mir erstmals einen Trainer, der mein gesamtes Training koordinieren und mir Trainingspläne vorgeben sollte. Siehe Blog-Beitrag

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