„Erfolgreich zu sein, setzt zwei Dinge voraus: klare Ziele und den brennenden Wunsch, sie zu erreichen“. (J.W.Goethe)
1999 gelang mir wie hier im Blog bereits geschrieben die Hawaii Quali in Roth, der Start auf Hawaii war OK mehr aber auch nicht. Dazu später hier im Blog mehr. Lange analysierte ich meine Hawaii Vorbereitung und meine Trainingsergebnisse zu diesem Wettkampf, entschloss mich schließlich, mich von Kuno Hottenrott zu trennen und suchte einen neuen Trainer. Ich wurde recht schnell bei Peter Sauerland fündig, der ebenfalls ehemaliger Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft war und viele Topathleten, wie Alexander Taubert, der auf Hawaii schon reihenweise unter den ersten Zehn gelandet war, in seinem Portfolio betreuter Athleten hatte. Nach Hawaii und dem zermürbenden Umfangstraining dazu, beschloss ich erst einmal, keinen weiteren Ironman in Angriff zu nehmen, sondern meine Schnelligkeit zu verbessern.
In diesem Jahr stand für mich, unter anderem, auch die Top4Tour ganz oben auf meiner Wettkampfliste. Ein Wettbewerb, der die Elemente des Triathlons – Schwimmen, Radfahren, Laufen – in sich vereinigt und sich in einer Hinsicht an die Tour de France der Radfahrer anlehnt. Die Teilnehmer absolvierten dabei vier Wettkämpfe in vier Tagen an unterschiedlichen Etappenorten. Es begann in Esslingen mit einem Swim and Run. Am zweiten Tag fand ein Sprinttriathlon in Friedrichshafen statt. Am dritten Tag ein 10-Kilometer-Citylauf in Geislingen und am letzten Tag bildete ein Duathlon in Aidlingen den Abschluss. Der Sieger wurde aus der Summe der vier Tagesergebnisse ermittelt.
Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, diesen Wettkampf unter den ersten Drei zu beenden. Im Trainingslager mit Peter Sauerland konzentrierte ich mich ausschließlich auf die kurzen Distanzen und trainierte zwar kürzer als früher, aber deutlich härter – mit höheren Geschwindigkeiten und einer starken Betonung auf dem Schwimmen. Nach dem Trainingslager fühlte ich mich enorm stark. Es lief so gut wie nie. Ich hatte hervorragende Ergebnisse zu verzeichnen und auch das Feedback meines erfahrenen Trainers, der auch Vergleichswerte von anderen Sportlern hatte, die international erfolgreich diesen Sport ausübten, bestätigte mich in dem Ziel einer Top-3-Platzierung.
Die erste Etappe: Swim&Run in Esslingen. 1.000 Meter Schwimmen und acht Kilometer Laufen waren zum Auftakt zu bewältigen. Der Startschuss fiel. Aber ich kam überhaupt nicht wirklich in den Wettkampf hinein und landete auf einer Bahn mit eher mittelmäßigen Startern und nicht bei den Topathleten, die im Wasserschatten ihres Vormannes Kraft sparen und ein deutlich höheres Tempo schwimmen konnten. Mit einem erheblichen Rückstand von 1:35 Minuten kam ich aus dem Wasser. Alle meine Hoffnungen auf eine vordere Platzierung bei der Tour, schienen sich bereits jetzt in Luft aufzulösen. Eigentlich wollte ich mir die Kräfte bei der ersten Etappe etwas einteilen, um mir Reserven für die weiteren Etappen zurückzuhalten, aber nach diesem Schwimmauftakt war Vollgas angesagt. Zwar konnte ich in meiner Domäne, dem anschließenden Lauf, einiges an Boden gut machen, lief aber, mit einem ganz erheblichen Abstand auf die ersten Drei, nur als Vierter ins Ziel. Der Rückstand mit 48 Sekunden auf den nunmehr Führenden schien, angesichts der enormen Leistungsdichte, bereits viel zu groß. Und das, obwohl ich mich so intensiv auf diesen Wettkampf vorbereitet hatte.
Zweite Etappe: Bodensee Sprinttriathlon in Friedrichshafen. Am nächsten Tag ging es zu einem Sprinttriathlon an den gut 200 Kilometer entfernten Bodensee. Auf dem Programm standen 500 Meter Schwimmen, 27 Kilometer Radfahren und 5,5 Kilometer Laufen. Rund 20.000 Zuschauer und 29 Grad Celsius machten diesen Tag zum absoluten Höhepunkt. Beim Radfahren war das Windschattenfahren erlaubt, sodass ich die optimale Ausgangssituation aus dem Schwimmen erreichen musste, um in die stärkste Radgruppe zu kommen. Ich hatte zum Glück auch einen guten Schwimmtag erwischt und kam, nur mit einem Rückstand von 36 Sekunden, als Achter aus dem Wasser. Dank meiner guten Radform, konnte ich ziemlich schnell in die erste Radgruppe hineinfahren. Da am Ende alle vier Zeiten addiert wurden und ich aus dem ersten Wettkampftag noch besagten Rückstand hatte, musste ich nicht nur in dieser Radgruppe verbleiben, sondern zusehen, dass ich so viel Zeit wie möglich auf die Konkurrenten gutmachte. Also versuchte ich, schon auf dem Rad etwas herauszuholen, um als Erster in die Wechselzone zu kommen, was mir mit einigen Sekunden Vorsprung schließlich auch gelang. Mit meiner hervorragenden abschließenden Laufzeit konnte ich den Wettkampf gewinnen und 18 Sekunden auf den Gesamtführenden gut machen, sodass ich nach diesem zweiten Wettkampftag bereits auf Platz zwei im Gesamtranking lag. Von der Platzierung her gesehen war das gut. Ich hatte aber immer noch einen Rückstand von ungefähr 30 Sekunden auf den bis dahin Führenden – wollte aber trotzdem unbedingt die Tour gewinnen.
Dritte Etappe: Citylauf Geislingen. Am dritten Tag stand ein 10-Kilometer-Lauf auf dem Programm, der im Heimatort des in der Gesamtwertung führenden Athleten Moritz Gmelin stattfand, der natürlich lautstark an der Strecke angefeuert wurde. Durch den Reisestress und die unglaubliche Nervosität hatte ich nachts nur drei Stunden geschlafen und stand morgens bereits um 5:30 Uhr auf, um vor dem Frühstück mit einem leichten Radtraining die Beine zu lockern und auf den bevorstehenden Wettkampf vorzubereiten. Im Rennen versuchte ich anzugreifen und unternahm mehrfach Ausreißversuche, um meinem Hauptkonkurrenten wegzulaufen, was mir bei starkem Gegenwind aber nicht richtig gelingen sollte. Er schaffte es immer wieder, sich in meinem Laufschatten heranzuziehen und aufzuholen. Bei Kilometer 7 attackierte Moritz sogar, glücklicherweise konnte ich dagegen halten und auf dem letzten Kilometer meinerseits, in einem langen Spurt, noch einige wenige Sekunden gut machen. 28 Sekunden Rückstand waren es nach den drei Etappen noch und die erschienen mir als unüberwindbare Hürde. Wie sollte ich am letzten Tag, beim letzten Wettkampf, einem Kurzduathlon, dies gut machen? Ich wusste ja mittlerweile, dass mein Konkurrent genauso schnell laufen und radfahren konnte wie ich. Der Moderator des Wettkampfs sah das wohl ähnlich und sprach bereits davon, dass das Rennen wohl entschieden wäre und es für mich nur noch um die Sicherung des zweiten Platzes gehen könne. Solche Aussagen und Prognosen zu meinen Ungunsten, hatten mich schon immer zusätzlich motiviert und hier war dies erneut der Fall. Die scheinbare „mission impossible“ stachelte mich regelrecht an.
Ich hatte abermals eine schlaflose Nacht, in der ich mir alle möglichen Taktiken zu Recht legte, wie ich ihn noch einholen könnte. Ich wollte mich nicht mit dem zweiten Platz zufriedengeben, sondern die sich bietende Chance nun ergreifen und den Wettkampf gewinnen. Wenn ich ehrlich bin, hätte mich nichts anderes zufriedengestellt. Um meine Nervosität in den Griff zu bekommen, machte ich mich morgens, in aller Frühe, wieder zu meinem Wake-up-Läufchen auf und bemerkte, dass sich meine Beine überraschend gut anfühlten. Mein zeitaufwändiges Cool-down-Programm an jedem Wettkampftag machte sich bezahlt.
4. Etappe: Aidlingen Sprint-Duathlon. Dieser abschließende Duathlon bestand aus drei Kilometer Laufen, 12 Kilometer Radfahren und nochmaligen drei Kilometer Laufen. Ich beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. Sogar meinen zweiten Platz zu riskieren und im Gesamtklassement weiter nach hinten zu fallen, wenn ich mich übernehmen würde. Ich wollte das Rennen von vornherein bestimmen, gestalten und anführen – und mit jedem Schritt den Abstand zwischen mir und dem Gesamtführenden verringern. Ich wollte ein Tempo anschlagen, das allen Konkurrenten, vom ersten Kilometer an, Schmerzen bereiten würde. Vor dem Start merkte man deutlich, dass alle Teilnehmer nervös und gestresst waren. Man ging sich lieber aus dem Weg, Worte wurden keine mehr gewechselt. Ja, mir war richtig schlecht und ich sehnte den Startschuss nur so herbei. Ich wollte jetzt alles aus mir herausholen, alles riskieren und gewinnen.
Dieses Risiko wurde belohnt. Schon im ersten Lauf lief ich so schnell, dass ich bereits während der ersten drei Laufkilometer die Hälfte des Abstandes egalisierte. Keiner konnte folgen. Meine gute Laufform hatte sich dann auf der Radstrecke fortgesetzt. Es war eine schwere Strecke und damit genau meine Welt. Mit Bergen, die man mit Kraft hochfahren konnte. Ich baute meinen Vorsprung aus, peitschte mich selbst ständig nach vorne. Schrie mich an, um ja nicht nachzulassen. Bereits nach der Radstrecke hatte ich den gesamten Rückstand aufgeholt und war mir nunmehr siegessicher. Die Zuschauer flippten förmlich aus und feuerten mich an, wie ich es bis dato noch nie erlebt hatte. Auf der letzten Laufstrecke, den abschließenden drei Kilometern, baute ich den Vorsprung weiter aus und konnte, mit bisher noch nie da gewesenen Emotionen, als Sieger der Top4Tour ins Ziel laufen. Ich hatte gezeigt, was ich konnte. War an meine Grenzen gegangen und hatte eine echte Leistungsexplosion vollbracht. Das war bis dahin mein größter Erfolg.
Hallo.
Cooler Artikel. War ein sehr sehr geiler Kampf damals. Hat viel Spaß gemacht auch wenn ich In Aidlingen dann komplett explodiert bin.
Gruß
Moritz
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